RAIMUND  VÖGTLE ARTIST PAINTER


Ein  Mann aus Hergotts Ländle

Während einer Preview der ART KARLSRUHE , es dürfte 2007 oder 2008 gewesen sein, traf ich Raimund Vögtle an meinem Messestand das erste Mal- das heißt, er traf auf uns, machte sich kurz mit meinem anwesenden Künstler A.St. bekannt, kaufte ihm ein grosses Bild ab, hinterließ seine Adresse zwecks Lieferung und verschwand. In dieser Kürze von vielleicht 10 Minuten hatte ich noch nie ein Bild verkauft- das Besondere daran, ohne dass um den Preis gefeilscht wurde. Ein professioneller Blick im Zusammenspiel mit Entschlossenheit und im Verbund mit einem honorigen Wesen kennzeichneten bei dieser Flash- Begegnung ziemlich genau den Charakter des Herrn Vögtle;  denn ein ähnliches Spiel wiederholte sich im folgenden Jahr darauf. 

Eine glückliche wohl behütete Kindheit ist in vielen Fällen die Basis für ein erfolgreiches, ausgeglichenes Leben. Die italienische Schriftstellerin und Journalistin  Oriana Fallaci hat in ihrem Buch "Wenn die Sonne stirbt" über die ersten amerikanischen Astronauten herausgefunden, dass die Mehrzahl als Einzelkinder aus intakten Familien stammte. Auf Gegenden übertragen scheint mir, dass die aus wunderbaren Landstrichen Gebürtigen einen hübschen Vorteil gegenüber anderen, weniger Glücklichen, bei der Bewältigung der Härten unseres Daseins genießen. Allein die Grundstimmung der Badener Leute, die im Frühling ein duftender Blütenflor umgibt, der ihnen im Herbst üppige Wein- und Obsternten beschert, zeigt sich stets positiv und frohsinnig, hilft ihnen spielend über viele vordergründige Hürden hinweg, über die andere Zeitgenossen bereits stolpern oder gar verzagen. Die nonchalante Stimmung im Stil Grimmelshausens bei der Beschreibung des Dreißigjährigen Krieges (s. Simplizius Simplizissimus), der sich für viele Menschen, Länder und Städte verheerend auswirkte und tragische Literatur hervorbrachte, mag hier als treffendes Beispiel dienen.
Nicht nur als  Protagonisten aus der Schnittmenge glücklicher Menschen im Paradies zwischen Schwarzwald und Rheinstrom dürfen wir den Maler Raimund Vögtle sehen. Ein Bündel an Energie, mehrschichtig veranlagt, hat er einige seiner Möglichkeiten parallel zueinander vorangetrieben, ohne sich zu verwirren oder zu verirren. Lernen scheint  ihm in Kindheit und Jugend eher Spass als Problem gewesen zu sein, sodass sich neben dem Fleiß sogar seine Müßiggänge kreativ und produktiv entwickeln konnten. In seiner Sturm- und- Drang Periode entstanden en passant Bilder und Objekte, während mancher wilde Mitstreiter lediglich gravierende Fehler in seiner Biografie verankerte.

Nein, man muss nicht auf einer Kunstakademie studieren, um Kunstmaler zu werden. Es gibt eine Reihe anderer Möglichkeiten sich dem Kunstschaffen zu nähern. Denn während der Kunststudent nach seinem Diplom das Studium beendet, ist für den Autodidakten das Studieren, Lernen, Probieren, Experimentieren ein Dauer-Prozess. Früh entwickeln sich Interesse und Neugier an den Dingen, die das Kind sieht und zu begreifen beginnt. Durch Zeichnen und Malen erfasst es sie genauer und tiefgründiger als beim bloßen Erblicken. Nach und nach bezieht es das Umfeld mit ein und erweitert es fortwährend. Diesem Tun ist jedes Mittel recht. Im Picasso-Museum zu Barcelona befindet sich ein Stück Borke, auf dessen innere glatte Seite der Vierjährige seine erste Zeichnung mit einem Nagel geritzt haben soll. Von alters her- und, wie jüngst  Wissenschaftler mit den neuesten physikalischen Techniken in den mehrschichtigen Höhlenmalereien der Steinzeit herausfanden, haben sich bereits vor 35000 Jahren talentierte Menschen am Kopieren der Werke ihrer Vorgänger geschult und darauf wieder Neues entwickelt. Bis vor zweihundert Jahren gab es überhaupt keine Kunstschulen oder Akademien, außer den üblichen Meisterwerkstätten. Andere Begabte bilden sich über das Sammeln von Kunstgegenständen weiter, um eventuell Eigene Entwürfe zu wagen. Und bei manchen ist es eine Mischung von allen Aspekten, die dann zum Selbermalen führt.

Große Menschen gehen krumm, sagt Nietzsche. Manche Menschen müssen krumme Wege gehen, obwohl sie schon bald Ihre Liebe zur Kunst erkennen, wie Raimund Vögtle. Demnach habe ihm sein Vater dringend geraten, von einem Kunststudium abzusehen, zu Gunsten eines sicheren Brotberufs. Die Wahl des Jungen fiel aufs Studium der Medizin- eine glückliche Entscheidung in mehrfacher Hinsicht: denn die ärztliche Kunst am Menschen steht der Bildenden Kunst nicht entgegen, sondern kann sie sogar fördern. Dabei findet eine Erweiterung des Bewusstseins statt. Wird dann sogar der Status des Leiters einer Klinik erreicht, ist auch die ökonomische Basis gesichert.

Nicht nur das Kunstsammeln begleitet Dr. Vögtle immerfort, sondern vorwiegend das Selbermalen, auch wenn es noch nicht nach Öffentlichkeit ausgerichtet und nur als Selbstzweck angelegt ist. Dennoch bedeutet es ihm weit mehr als nur ein Hob by. Was diesen Maler zeitlebens bewegt darf man wohl eher eine dauerhafte Kunstbegeisterung mit kühlem Verstand als eine flüchtige Leidenschaft nennen. Das wird auch und vor allem belegt durch seine umfangreichen Experimente mit Fotografie und verschiedenen Kolorier- und Drucktechniken, wie Radierung und Heliogravure. Speziell die Versuche in diversen Techniken führen ihn schließlich zu der für seine Zwecke besonders geeignete Monotypie, die eine schnelle Variationsfolge eines bestimmten Sujets ermöglicht, sowie gleichzeitig zur Hinterglasmalerei und der Idee Kunststoffplatten ( PET ) als Bildträger zu verwenden.

Die reale Befreiung aus den vier Jahrzehnten des Medizinstudiums, als Werksarzt, Internist und Dialysearzt in Richtung Kunstrezipienten und kultureller Öffentlichkeit verlangte zuvor noch eine etwas heikle Prüfung.
 Als ein ebenso selbst geschaffenes Hindernis wie gleichzeitig eine perfekte Kontaktschule zum Publikum wurde eigenhändig im ältesten Haus der Innenstadt Karlsruhes die Galerie für zeitgenössische Kunst installiert und fünf Jahre engagiert und ordentlich geführt, wie alles, was Raimund Vögtle in die Hand nimmt. Dieses Unterfangen stellte sich als äußerste Härte für den erfolgsverwöhnten Mediziner heraus und verlangte dringend nach Abhilfe, weil er mitansehen musste, wie sein schwer verdientes Vermögen so schnell dahin schmolz. " Ich bin gewohnt , gern und viel zu arbeiten, aber ich bin auch gewohnt, etwas dabei zu verdienen", war sein schlüssiges Credo. Denn: mit künstlerischem Idealismus in die Welt gesetzt, mit gewagten Ausstellungen programmiert und die übrigen Räume preiswert an Kunststudenten vermietet, wurde nicht nur die Existenz der Galerie gefährdet, sondern auch die Haltung zur Kunst. Auf der Haben-Seite jedoch standen eine Menge Erfahrungen, deren Resultate sehr gut zur Vermarktung der eigenen Kunstprodukte genutzt werden konnten, nur mit dem Risiko behaftet, dass sie Liebhaber finden mussten.

Endlich entbunden von allen sonstigen beruflichen und finanziellen Bindungen, steht er der Mann, der Maler, völlig losgelöst in Gottes paradiesischem Ländle-und..



...explodiert in Farben


Klaus Lea ( Galerist ) 
München 2017
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